Wie schon der Philosoph und Psychoanalytiker Paul Watzlawick sagte: «Man kann nicht nicht kommunizieren.» Gut, das ist zwar in Bezug auf die Menschen gemeint, aber ich münze das jetzt mal um und wage zu behaupten, dass das auch genauso gut für Kunst im Raum oder am Bau gelten könnte.
Die Kommunikation der Objekte
Natürlich kommuniziert nicht jedes Gebäude oder jeder Raum gleich mit uns, aber manche tun dies eben doch auf ganz besondere Weise: Stell dir vor, du gehst in ein Kunstmuseum mit vielen Installationen wie im Tinguely Museum oder du stehst in Barcelona vor der Sagrada Familia. Vielleicht schlenderst du auch gemütlich über die Rialto Brücke oder bestaunst von einem Schiff aus die Freiheitsstatue in New York. Zu all diesen Objekten, egal ob Statue, Bauwerk, malerisches Kunstwerk usw. fühlen wir uns hingezogen. Wir bestaunen sie und lassen sie auf uns wirken. Solche Objekte strahlen eine ganz besondere Energie aus, sie inspirieren und berühren uns. Entweder spricht das Kunstwerk direkt zu uns oder wir überlegen uns, was es uns sagen will. Schon findet eine ganz eigene Art von Kommunikation zwischen uns Menschen und den Kunstwerken statt. Es muss nicht immer ein Bauwerk oder ein Gemälde sein, welches zigtausende Menschen anzieht. Es geht einzig darum, was das Kunstwerk für eine Resonanz in uns selbst auslöst.
Kommunikation mit allen Sinnen erleben
Warum ist diese Art von Kommunikation für uns Menschen wichtig? Um das zu verstehen, müssen wir uns die Kommunikation und die sensorische Wahrnehmung etwas genauer ansehen.
Unter der sensorischen Wahrnehmung versteht man das Empfinden mittels einer oder mehrerer Sinnesorgane:
Sehen, visuell
Riechen, olfaktorisch
Hören, auditiv
Schmecken, gustatorisch
Tasten, taktil
Jede Gesellschaft hat beispielsweise ihr ganz eigenes Kommunikationssystem. Dies beinhaltet unter anderem die Sprache. Damit wir überhaupt wahrnehmen können, was jemand sagt, brauchen wir den Hörsinn, ansonsten würden wir die gesprochene Sprache nicht verstehen. Demzufolge besteht zwischen den Sinnen und der Kommunikation ein enges Verhältnis, welches jedoch nicht symmetrisch verläuft: Die sensorische Wahrnehmung funktioniert ohne die Kommunikation, umgekehrt ist das aber nicht der Fall. Ein kleines Beispiel dazu: Wir können unsere Umgebung mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen, ohne dass wir alles, was wir sehen, benennen können. Eine unbekannte Pflanze können wir sehen (visuell), an ihr riechen (olfaktorisch), sie anfassen (taktil) oder sie sogar essen (gustatorisch) und dafür brauchen wir keine Kommunikation. Umgekehrt würde das nicht funktionieren: Ohne die fünf Sinne könnten wir uns gar kein Bild von etwas machen. Es wäre fast so, wie einer blinden Person erklären zu wollen, was die Farbe Blau ist.
Räume und Gebäude mit emotionalem Wert
Meist sind es alte Gebäude oder Kunstwerke, die schon viele Geschichten erlebt haben und auch viele Geschichten erzählen. Entweder haben wir uns über die historische Geschichte informiert oder aber wir ersetzen die Geschichte durch unsere eigene Interpretation. Das sollte aber nicht nur bei Objekten sein, die es schon lange gibt. Vielmehr sollte die Interpretation zur Regel werden: Im Grundsatz heisst das, dass jeder Raum, jedes neu erschaffene Gebäude nicht nur ein Raum oder eben ein Bauwerk, sondern auch ein Kommunikationsinstrument sein sollte. Jede*r Künstler*in hat eine bestimmte Vorstellung, eine eigene Idee und Vision davon, wie das neu geschaffene Objekt aussehen soll und wieso es genau so aussehen soll. Dabei wird immer die Gefühlswelt, also die Emotionen, der Menschen angesprochen. Architekt*innen beispielsweise sollten diesen Aspekt bei ihren Planungen nicht ausser Acht lassen. Wenn sie dies nicht beachten, könnte das zur Folge haben, dass ihre Objekte keinen emotionalen Wert besitzen; es sind dann einfach nur Nutzobjekte, die auch nur als solche wahrgenommen werden. Ein gutes Beispiel dafür sind grosse Überbauungen oder Siedlungen, die im Schnelltempo aus dem Boden gestampft wurden. Gebäude oder gar ganze Stadtteile, die aus reiner Funktionalität heraus entstanden sind, um z. B. möglichst vielen Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben usw. Bei diesen Objekten fehlen jedoch der Sinn und die Vision eines Künstlers oder einer Künstlerin. Das ist sehr schade.
Objekten eine Seele einhauchen
Ich erlebe diese ganz spezielle Kommunikation zwischen Mensch und Bauwerk im Tarrot Garten von Niki de St. Phalle in der Toskana. Für mich ist dieser Garten immer wieder der Himmel auf Erden. Er bereichert meine Fantasie, schenkt mir Energie, erinnert mich an das kindliche Spiel, aber auch an die Bedeutung der Tarrotkarten. Ich schmecke den Geruch der Toskana, die wahnsinnige Hitze, die Weite, die Meeresluft und den Wind. Alle meine fünf Sinne werden geweckt und aktiviert. Dieser Garten berührt mich tief in meinem Herzen. Er erfüllt und nährt mich. Hier kann ich meine Seele baumeln lassen, auftanken und mich beflügeln lassen. Genau diese Gefühle will ich ebenfalls so weitergeben, wenn ich an der Planung eines Raumes oder Gebäudes mitbeteiligt bin. Menschen wollen berührt werden, sie wollen der unbewussten Kommunikation folgen können. In unserem Alltagstrott ist es wichtig, dass wir vor lauter Reizen trotzdem noch manchmal – auch wenn vielleicht unterbewusst – das Gefühl von Wärme und Geborgenheit erhalten. Folglich wird Kommunikation im Raum und am Bau immer wichtiger. Es reicht beispielsweise schon, wenn an einem Gebäude ein Lichtspiel stattfindet. Das fasziniert die Menschen, inspiriert sie und bringt sie zum Lächeln. So können sie wiederum neue Energie auftanken. Es müssen Räume und Gebäude geschafft werden, die die Menschen emotional berühren und sie für einen kurzen Moment vom Alltag ablenken. Das fängt schon beim Namen von Gebäuden an: Ich finde es wichtig, dass jedes Gebäude einen eigenen Namen erhält und nicht nur mit einer Hausnummer beziffert wird, wie das in der Schweiz sehr oft gehandhabt wird. Denn durch den Namen entsteht bereits hier eine Geschichte für den Menschen.
Kunst im Raum und am Bau in Unternehmen
Was genau bedeutet Kunst im Raum oder am Bau nun für Unternehmen? Natürlich bedeutet es nicht, dass ein Unternehmen jetzt die gesamte Einrichtung, sämtliche Gegenstände, die Wandfarbe etc. verändern muss, nein. Es bedeutet, dass sich Unternehmen bewusst hinterfragen, wie ihre Räumlichkeiten aussehen und wie diese gestaltet sind.
Welche Farben wurden genutzt und weshalb?
Gibt es ein Möblierungskonzept und entspricht dieses noch dem Zeitgeist?
Was strahlen die Räumlichkeiten für ein Gefühl aus?
Wie ist der Eindruck, wenn jemand den Eingangsbereich zum ersten Mal betritt?
Was löst er für Emotionen aus?
Wenn man dort täglich ein und aus geht, nimmt man wahrscheinlich gar nicht mehr bewusst wahr, was ein solcher Raum in einem auslöst. Das ist auch nicht verwunderlich, wir sind alle Gewohnheitstiere. Es macht also durchaus Sinn, wenn Räumlichkeiten beispielsweise jungen Künstler*innen zur Verfügung gestellt würden, damit sie diese immer wieder neu gestalten. Das könnten natürlich auch Mitarbeitende übernehmen, die dafür ein gewisses Budget zur Verfügung gestellt bekämen. Auch kleine Dinge zählen: Wenn z. B. ein Sonnenstoren ausgewechselt werden muss, dann wird nicht einfach ein Ersatz bestellt, sondern Wert darauf gelegt, in welcher Farbe er ersetzt wird und aus welchem Material er besteht. Genauso gut könnten Parkplätze in verschiedenen Farben bemalt oder in der Tiefgarage ein Graffiti an die Wand gesprayt werden. Ein Unternehmen in Egerkingen hat beispielsweise ein Farbkonzept auf der Aussenseite einer Fensterfront erstellt. Fährt man nun auf der A1 zwischen Bern und Zürich, so kann man dieses Kunstwerk bestaunen: Bei der Durchfahrt kurz einen Moment Farbe einsaugen. Oder schlendert man durch die Zürcher Bahnhofstrasse, kann man etliche Schaufensterfronten bestaunen, die in wahre Kunstwerke verwandelt wurden und so zum Betreten der Lokalitäten verlocken. Wie du siehst: Kunst im Raum oder am Bau umfasst alles vom Farbkonzept über Sitzgelegenheiten, Kunstinstallationen bis hin zum Autokreisel. Den Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Und auch mit kleinem Budget und wenig Aufwand kann so eine neue Kommunikation entstehen.
Quellen